Kinder mit Behinderung: Diese Unterstützung steht Eltern zu

18. November 2024

In Deutschland leben knapp 8 Millionen Menschen, die als schwerbehindert gelten. Etwa drei Prozent von ihnen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die Erziehung eines Kindes mit Behinderung bringt besondere Herausforderungen und Fragen mit sich. Viele Eltern fragen sich, welche Unterstützungsmöglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen und wie sie den Alltag bestmöglich gestalten können. Wir wollen Ihnen einen Überblick über die zahlreichen Hilfsangebote und gesetzliche Regelungen geben, die Familien mit behinderten Kindern unterstützen. 

Voraussetzungen: Pflegegrad und Grad der Behinderung

Eltern von Kindern mit Behinderung haben Anspruch auf Unterstützungsleistungen, welche von verschiedenen Trägern übernommen werden. Dazu gehören v. a. die Kranken- und Pflegekassen, das Sozialamt, das Versorgungsamt oder Familienkassen. Um aber staatliche Hilfen zu erhalten, müssen Eltern zunächst die bürokratischen Voraussetzungen klären. Dazu gehören insbesondere die Beantragung eines Pflegegrades und natürlich des Grades der Behinderung. In aller Kürze:

 

  • Grad der Behinderung: Eltern können beim Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) für ihr Kind beantragen. Der GdB wird anhand festgelegter Kriterien in 10er-Schritten bis zu 100 vergeben und ist abhängig davon, wie stark sich die Beein­trächtigung auf den Alltag auswirkt. Ab einem GdB von 50 erhält das Kind einen Schwerbehindertenausweis, der Vergünstigungen wie kostenlose Mitnahme einer Begleitperson im Nahverkehr ermöglicht. Außerdem können Eltern einen Parkausweis für Schwerbehinderte beantragen.
  • Pflegegrad: Bei Pflegebedürftigkeit müssen Sie für Ihr Kind einen Pflegegrad bei der Pflegekasse beantragen. Dieser bestimmt die Höhe aller Pflegeleistungen. Je höher der Pfle­gegrad, desto mehr gibt es. Voraussetzung ist, dass mindestens ein Elternteil in den letzten zehn Jahren für mindestens zwei Jahre in die Pflegeversicherung eingezahlt hat. Andernfalls über­nimmt das Sozial­amt. Nach der Antragstellung bestellt die Pflegekasse eine Gutachterin oder einen Gutachter beim Medizi­nischen Dienst. Bei einem Besuch bei Ihnen zuhause wird dann anhand fest­gelegter Kriterien die Pflegebedürftigkeit des Kindes festgestellt.

 

Es kann immer wieder passieren, dass eine Behörde Ihren Antrag ablehnt. Scheuen Sie sich in diesem Fall nicht, Wider­spruch einzulegen! Oft führt das zu Erfolg. Dafür reicht erstmal ein formloser Brief, eine Begründung können Sie später nachreichen. Beachten Sie aber, dass die Frist für einen Widerspruch oft knapp ist.

Tipp: Lassen Sie sich beraten

Mit Ihren Fragen stehen Sie nicht alleine da! Lassen Sie sich von der „Ergänzenden unab­hängigen Teilhabeberatung“ (EUTB), Pfle­gestütz­punkten, Sozial- oder Wohl­fahrts­verbänden beraten, bevor Sie einen Antrag stellen. Hier erhalten Sie wertvolle Informationen und können so möglicher­weise eine bessere Bewertung erhalten.

Finanzielle Leistungen: Ein Überblick

In Deutschland haben Eltern von chronisch kranken und behinderten Kindern Anspruch auf umfangreiche staatliche Hilfen. Hier sind die wesentlichen Unterstützungsmöglichkeiten:


  1. Mutterschutz: Für Mütter eines Kindes mit Behinderung verlängert sich die Mutterschutzfrist nach der Geburt auf zwölf Wochen. Entsprechend wird das Mutterschaftsgeld für diesen Zeitraum gezahlt.
  2. Kindergeld: Für Kinder mit Behinderung kann das Kindergeld über das 18. Lebensjahr hinaus bezogen werden, solange das Kind aufgrund seiner Behinderung den Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann.
  3. Leistungen der Krankenkasse: Die Krankenkasse übernimmt zusätzliche Gesundheitsleistungen wie Frühförderung, Medikamente, Krankenhausaufenthalte und Hilfsmittel wie Rollstühle oder Prothesen.
  4. Leistungen der Pflegekasse: Ab Pflegegrad 2 können Eltern Pflegegeld beantragen. Zudem gibt es Zuschüsse für notwendige Umbaumaßnahmen und bereits ab Pflegegrad 1 den monatlichen Entlastungsbetrag von 125 Euro. Auch Verhinderungs- und Kurzzeitpflege werden bei Bedarf finanziell unterstützt.
  5. Steuerliche Erleichterungen: Steuerliche Entlastungen wie der Behinderten-Pauschbetrag und der Pflege-Pauschbetrag helfen, finanzielle Lasten zu senken. Auch Kraftfahrzeughilfe und andere Mobilitätsbeihilfen sind möglich.
  6. Eingliederungshilfe und Persönliches Budget: Familien erhalten finanzielle Unterstützung zur Förderung der sozialen Teilhabe ihres Kindes und können individuelle Geldleistungen im Rahmen des Persönlichen Budgets beantragen.

Speziell für Kinder mit Behinderung: Frühförderung und Bildungsangebote

Eingliederungshilfe nach SGB XII zielt darauf ab, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Für Kinder bedeutet das natürlich etwas anderes als für Erwachsene mit Behinderung. Im Kleinkindalter ist eine gezielte Frühförderung, die die motorischen, sprachlichen und sozialen Fähigkeiten stärkt, entscheidend für die Entwicklung des Kindes. Dazu zählen therapeutische, psycho­logische, pädagogische sowie psycho­soziale Maßnahmen. Bei vorliegender ärztlicher Verordnung tragen die Krankenkasse oder die Eingliederungshilfe die Kosten. Ab dem Schulalter endet die Frühförderung. Kinder mit Behinderung haben dann aber das Recht, eine inklusive Schule zu besuchen. Eltern können in diesem Fall zusätzliche Unterstützung, wie eine Schulassistenz, beantragen.

Sonderrechte für Arbeitnehmer mit behinderten Kindern

Wer ein Kind mit Behinderung versorgt und gleichzeitig im Arbeitsleben steht, sieht sich besonderen Herausforderungen gegenüber. Für Eltern gibt es in Deutschland spezielle Regelungen, um ihre beruflichen Verpflichtungen und die Pflegeaufgaben zu kombinieren.

 

  • (Familien-)Pflegezeit: Eltern können sich bis zu sechs Monate ganz oder teilweise von ihrer Arbeit freistellen lassen. Dieser Anspruch gilt in Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitenden. In Firmen mit mehr als 25 Beschäftigten kann zudem eine Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten beantragt werden, auch wenn das Kind außerhäuslich betreut wird. Achtung: Eine Lohnfortzahlung besteht nicht. Einkommenseinbußen können aber durch ein zinsloses Darlehen des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben abgefedert werden.
  • Kinderkrankengeld: Eltern können bei Krankheit ihres Kindes kurzfristig freigestellt werden und Kinderkrankengeld beantragen – pro Elternteil bis zu 15 Tage jährlich pro Kind, für Alleinerziehende bis zu 30 Tage. Bei akuter pflegerischer Versorgung stehen Eltern jährlich bis zu zehn Tage Freistellung zu. Erhalten Sie während der Freistellung keinen Lohn, können Sie Pflegeunterstützungsgeld (90 % des Nettoentgelts) beantragen. Muss ein Kind von einem Eltern­teil aus medizi­nisch notwendigen Gründen zu einer stationären Behandlung begleiten, erhalten Versicherte Kinder­krankengeld ohne zeitliche Begrenzung.
  • Zusätzliche Urlaubstage und flexible Arbeitszeitmodelle: Eltern haben unter Umständen Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage, wenn die Pflege des Kindes dies erfordert. Flexible Arbeitszeitmodelle sind eine weitere Option, um Beruf und Pflege unter einen Hut zu bringen.

Fazit: Behütet Aufwachsen mit Behinderung

Eltern von Kindern mit Behinderung haben Anspruch auf umfassende Unterstützung – von finanziellen Hilfen über Umbaumaßnahmen bis hin zu inklusiven Bildungsangeboten. Wichtig ist, sich frühzeitig zu informieren und die passenden Angebote zu nutzen, um sowohl das Kind als auch sich selbst bestmöglich zu unterstützen. Der Alltag mit einem behinderten Kind kann herausfordernd sein, doch stehen Eltern nicht allein da. Ein starker Rückhalt und gezielte Förderung sind entscheidende Schritte, um den Familienalltag zu meistern und dem Kind ein erfülltes Leben zu ermöglichen.

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